
Was einst mit zwei aufblasbaren Matratzen in einem Wohnzimmer in San Francisco begann, hat sich zu einem milliardenschweren, weltumspannenden Unternehmen entwickelt: Airbnb. Die Plattform hat die Art und Weise, wie Menschen reisen und wohnen, revolutioniert – und zugleich eine heftige gesellschaftliche Debatte entfacht.
Während Reisende weltweit das individuelle Übernachten schätzen, klagen viele Städte über Wohnungsnot, Überregulierung und Verdrängung. Der folgende Artikel beleuchtet die Entstehung und Entwicklung von Airbnb, analysiert wirtschaftliche und soziale Auswirkungen und stellt die drängendsten Herausforderungen der Plattform dar – mit Blick auf aktuelle Entwicklungen wie das geplante Verbot von Ferienwohnungen in Barcelona.
1. Die Entstehung von Airbnb – Von Luftmatratzen zur Milliardenplattform
Airbnb wurde im Jahr 2008 von Brian Chesky, Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk in San Francisco gegründet. Die Idee kam den Gründern, als sie ihr Wohnzimmer mit Luftmatratzen ausstatteten, um Gästen während einer überfüllten Konferenz bezahlbaren Wohnraum zu bieten. Sie nannten das Projekt „AirBed & Breakfast“. Innerhalb weniger Monate entwickelte sich daraus eine Online-Plattform, die Gastgeber mit Reisenden verband. Bereits 2009 sicherte sich das junge Start-up über Y Combinator erste Investitionen und wuchs rasant.
2011 expandierte Airbnb nach Europa, 2013 wurde das Europa-Hauptquartier in Dublin eröffnet. Bis 2020 hatte das Unternehmen über 900 Millionen Gäste weltweit beherbergt, mit mehr als fünf Millionen aktiven Inseraten in mehr als 100.000 Städten.
2. Von der Unterkunftsplattform zur „Anything App“
Airbnb beschränkte sich lange auf das Kerngeschäft der Vermittlung von privaten Unterkünften. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen seine Plattform jedoch strategisch erweitert. Mit „Airbnb Experiences“ konnten Gäste ab 2016 zusätzlich an geführten Aktivitäten teilnehmen – von Kochevents über Stadtführungen bis hin zu Surfkursen.
2025 folgte der nächste große Schritt: Airbnb will sich zur sogenannten „Anything App“ wandeln. In der Sommerveröffentlichung 2025 präsentierte das Unternehmen neue Services wie die Buchung privater Köche, Massagen oder Fotografen direkt über die App. Airbnb-CEO Brian Chesky sagte dazu in einem Interview mit MarketWatch: „Wir wollen das nächste Kapitel des Reisens schreiben – eine App, die alles kann, was man für ein außergewöhnliches Erlebnis braucht.“
Investoren reagierten gespalten. Während einige die Diversifikation begrüßen, sehen andere Risiken durch eine Überdehnung des Geschäftsmodells. Airbnb selbst rechnet mit einem zusätzlichen Umsatzpotenzial von über einer Milliarde US-Dollar pro Jahr allein durch neue Services.
3. Wirtschaftliche Wirkung – Lokaler Nutzen oder Wohnungsdruck?
Airbnb betont regelmäßig die positiven ökonomischen Effekte für lokale Gemeinschaften. Gastgeber:innen verdienen in vielen Ländern ein willkommenes Zusatzeinkommen. In Österreich trugen Airbnb-Gastgeber:innen laut Unternehmensangaben 2023 etwa 1,5 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt bei. In der Schweiz betrug dieser Beitrag rund 1,3 Milliarden Euro.
Auch in Deutschland sehen Studien einen moderaten Einfluss auf Wohnungsmärkte. Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts aus dem Jahr 2024 kam zu dem Ergebnis, dass Kurzzeitvermietungen durch Airbnb in den meisten Städten einen geringen Effekt auf die allgemeine Wohnraumverfügbarkeit haben. Der Anteil von Airbnb-Wohnungen liegt demnach in vielen deutschen Städten unter 1,5 % des gesamten Wohnungsbestands.
Gleichzeitig gibt es aber auch gegenteilige Befunde: In touristischen Hotspots wie Berlin-Mitte, München oder Hamburg-St. Pauli können Ferienwohnungen durchaus lokal spürbare Effekte auf Mietpreise haben – vor allem, wenn Wohnungen dauerhaft dem regulären Mietmarkt entzogen werden.
4. Barcelona und der Paradigmenwechsel in der Regulierung
Die schärfste Auseinandersetzung mit Airbnb findet derzeit in Spanien statt. Barcelona, eine der beliebtesten Städte Europas für Städtereisen, kündigte im Juni 2025 an, alle Kurzzeitvermietungslizenzen bis November 2028 auslaufen zu lassen. Damit wird es keine legalen Airbnb-Angebote mehr geben – ein europaweit einmaliger Schritt.
Bürgermeister Jaume Collboni erklärte in einer Pressekonferenz: „Barcelona ist keine Freiluft-Hotelanlage. Wir müssen die Stadt wieder den Bewohnern zurückgeben.“ Die Entscheidung basiert auf Jahren zunehmender Proteste gegen Massentourismus, steigende Mieten und Verdrängung.
Die spanische Zentralregierung unterstützte die Maßnahme indirekt, indem sie im Mai 2025 über 65.000 nicht registrierte Ferienwohnungen aus der Plattform löschen ließ. Auch Palma de Mallorca und Málaga ziehen laut Medienberichten ähnliche Schritte in Betracht.
Airbnb reagierte mit Kritik. In einem offenen Brief sprach das Unternehmen von „diskriminierenden Maßnahmen“ und forderte „kooperative, datenbasierte Lösungen statt pauschaler Verbote“. Brian Chesky sagte im Interview mit Business Insider: „Wir sind der bequeme Sündenbock für Probleme, die durch jahrelangen Wohnungsmangel entstanden sind.“
5. Andere Fallbeispiele weltweit
Der Konflikt um Airbnb ist kein spanisches Einzelfallproblem. Auch Amsterdam, Paris, Florenz und Lissabon haben Regelungen eingeführt, die den Kurzzeitmarkt beschneiden – mit unterschiedlichen Erfolgen.
Amsterdam etwa erlaubt Kurzzeitvermietung nur noch für maximal 30 Nächte im Jahr und nur mit Genehmigung. New York City führt seit 2023 ein zentrales Registrierungssystem und begrenzt Hosts auf Aufenthalte von mindestens 30 Tagen oder persönliche Anwesenheit. Auch Florenz verbot 2023 Ferienwohnungen in der Altstadt komplett.
Erfolgsmuster zeichnen sich dort ab, wo die Städte auf ausgewogene Systeme mit Registrierung, Steuerpflicht und klarer Kontrolle setzen – wie etwa in Porto oder Wien.
6. Airbnb zwischen Innovation und Verantwortung
Airbnb hat die Welt des Reisens demokratisiert – Menschen können heute authentischer und oft günstiger übernachten als im Hotel. Doch die Plattform hat auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen erzeugt, insbesondere in überlaufenen Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt.
Das Unternehmen versucht, sein Image zu korrigieren. Neue Transparenz-Initiativen, Partnerschaften mit Städten und die Förderung nachhaltigen Reisens sollen zeigen, dass Airbnb mehr ist als eine profitorientierte Tech-Firma. Auch will das Unternehmen in Zukunft verstärkt mit öffentlichen Stellen kooperieren, etwa durch Datenaustausch oder lokale Beschränkungen in stark belasteten Gebieten.
Langfristig will Airbnb sein Geschäftsmodell diversifizieren. Die Einführung der „Anything App“ soll das Unternehmen unabhängiger vom klassischen Kurzzeitvermietungsmarkt machen. Bis 2030 sollen laut Unternehmensprognosen bis zu 40 % des Umsatzes aus Services wie Kulinarik, Events und Handwerksleistungen stammen.
7. Ausblick: Die entscheidenden Fragen der Zukunft
- Wie viel Regulierung braucht Airbnb?
Verbote wie in Barcelona könnten Schule machen. Doch sie riskieren, Schattenmärkte zu fördern und lokale Einnahmen zu mindern. Ein abgestuftes System mit klaren Regeln, digitaler Kontrolle und Steuertransparenz gilt als vielversprechender Weg. - Kann Airbnb die Diversifikation meistern?
Der Sprung zur „Anything App“ ist ambitioniert – aber auch riskant. Der Markt für Experiences ist fragmentiert, lokale Anbieter sind etabliert. Airbnb muss Qualität sichern und Vertrauen aufbauen. - Welche Rolle spielt Airbnb in einer nachhaltigen Tourismuszukunft?
Die Plattform steht an einem Wendepunkt. Sie kann Teil der Lösung sein – oder zum Symbol einer unregulierten, profitorientierten Globalisierung werden.
Die Zukunft des urbanen Raums
Airbnb ist eines der faszinierendsten Unternehmen des digitalen Zeitalters – und eines der umstrittensten. Es hat Millionen Menschen unvergessliche Reiseerlebnisse ermöglicht und zugleich bestehende Stadtstrukturen herausgefordert. Die jüngsten Entwicklungen in Barcelona markieren eine neue Phase: Die Welt diskutiert nicht mehr nur über Airbnb, sondern über die Zukunft des urbanen Raums, der Sharing Economy und des nachhaltigen Reisens. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Airbnb seine Rolle neu definieren kann – als Plattform für Teilhabe und Qualität oder als entzaubertes Symbol des Plattformkapitalismus.