Garten

Raumbildung im Garten: Wie Freiräume zu Rückzugsorten werden

Ein Garten ist mehr als eine grüne Fläche hinter dem Haus – er kann ein zweites Wohnzimmer, ein Spielplatz, ein Arbeitsraum oder ein Ort der Stille sein. Damit ein Garten seine volle Wirkung entfalten kann, braucht er Struktur.

Die sogenannte Raumbildung sorgt dafür, dass verschiedene Nutzungsbereiche entstehen, die ein Gefühl von Geborgenheit, Offenheit oder Rückzug vermitteln. In einer Zeit, in der viele Menschen in den eigenen vier Wänden arbeiten und sich Rückzugsorte im Freien wünschen, gewinnt dieses Gestaltungsprinzip an Bedeutung. Doch was genau ist mit Raumbildung im Garten gemeint – und wie lässt sie sich realisieren?

Warum Raumbildung wichtig ist

Psychologische Wirkung von Gartenräumen

Räume sind in der Architektur essenziell, und das gilt auch für den Außenbereich. Ein gut gestalteter Garten bietet mehr als visuelle Reize – er wirkt emotional. „Das gute Gefühl, das Menschen in einem Garten empfinden, entsteht durch angemessen proportionierte Räume“, erklärt Landschaftsarchitektin Kirsten Meuer gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Räume schaffen Orientierung, laden zum Verweilen ein und vermitteln das Gefühl, geschützt zu sein – ähnlich wie ein gemütliches Zimmer.

Insbesondere in Zeiten von Homeoffice und permanentem Online-Sein ist der Wunsch nach klar getrennten, analogen Freiräumen größer denn je. Wer im Garten räumliche Gliederung schafft, erzeugt Zonen, in denen man abschalten, sich zurückziehen oder gezielt Aktivitäten nachgehen kann.

Funktionale Gliederung

Eine durchdachte Raumbildung bringt Struktur in das Gartenleben. Unterschiedliche Bedürfnisse – wie Spielen, Lesen, Gärtnern, Essen oder Meditieren – benötigen unterschiedliche Atmosphären. In einem einzigen offenen Raum konkurrieren diese Anforderungen miteinander. Deshalb empfehlen Gartenprofis, den Garten wie ein Haus zu denken: mit Eingangsbereich, Aufenthaltsräumen, Arbeitsbereichen und Ruhezonen.

Elemente und Strategien der Raumbildung

Flächen und Höhen als Grundstruktur

Ein Gartenraum lebt von seiner Form. Großzügige Rasenflächen bieten Weite, während abgesenkte Terrassen oder durch Stufen abgetrennte Ebenen intime Räume schaffen. Kleine Höhenunterschiede – beispielsweise durch Podeste oder Hochbeete – haben dabei große Wirkung.

„Schon eine leicht abgesenkte Sitzecke kann das Gefühl vermitteln, sich in einem geschützten Bereich zu befinden“, so Gartenplanerin Birgit Rainer. Auch der Wechsel von offenen und geschlossenen Bereichen erzeugt Dynamik: Während der Blick über eine Rasenfläche schweifen kann, lädt eine versteckte Ecke mit Pergola zum Rückzug ein.

Grenzen und Wände: Sichtschutz mit Mehrwert

Hecken, Zäune, Kletterpflanzen und Mauern dienen nicht nur der Abgrenzung – sie definieren Gartenräume. Eine grüne Wand aus Hainbuche oder Eibe wirkt ruhiger als ein Metallzaun und spendet zugleich Schatten. Kletterrosen an einem Rankgitter oder ein halbhohes Hochbeet können als „Wände“ wirken, die Räume zart voneinander abtrennen, ohne sie komplett zu verschließen.

Besonders charmant sind halbtransparente Raumtrenner wie Gräser (z. B. Chinaschilf oder Federborstengras), die bei Wind in Bewegung geraten und Licht durchlassen. Wer Sichtschutz mit Funktion verbinden möchte, kann z. B. Hochbeete als Raumteiler nutzen oder Pergolen mit Rankpflanzen kombinieren.

Pflanzen als Raumgestalter

Vegetation ist das Herzstück jeder Raumbildung. Bäume mit hoch angesetzter Krone wie Amberbaum, Zierkirsche oder Eisenholzbaum schaffen „grüne Decken“, die ähnlich wie ein Baldachin wirken. Großblättrige Stauden oder Ziergräser strukturieren den Bodenbereich.

„Ein Garten kann ohne Mauern Räume haben – allein durch die richtige Auswahl und Anordnung der Pflanzen“, sagt Gartenbuch-Autorin Sandra von Rekowski (wildes-gartenherz.de). Vor allem saisonale Elemente wie hohe Sommerstauden (z. B. Wasserdost oder Sonnenhut) bieten variable Raumgefühle, je nach Jahreszeit.

Bodenbeläge und Übergänge

Verschiedene Materialien für Wege, Terrassen oder Beetflächen wirken ebenfalls raumgliedernd. So vermittelt eine Holzterrasse Wärme und lädt zum Barfußgehen ein, während Kieswege als leise Trennung fungieren. Durch den bewussten Einsatz unterschiedlicher Texturen und Farben lassen sich funktionale Räume abgrenzen – etwa eine Ruhezone mit feinem Rindenmulch vs. ein Essplatz auf Natursteinplatten.

„Schon der Wechsel vom Pflaster zum Rasen markiert den Übergang in eine andere Gartenwelt“, erläutert Kirsten Meuer im RND-Interview. Zugänge lassen sich mit Gartenbögen, Toren oder Sichtachsen betonen – so entsteht ein natürlicher Fluss durch den Garten.

Gestaltungsprinzipien: So gelingt die Raumbildung

1. Logische Anordnung

Der Grillplatz sollte nicht am Garteneingang liegen, das Spielhaus nicht direkt neben der Hängematte – räumliche Logik hilft dabei, dass sich Gartennutzer nicht gegenseitig stören. Der Sichtschutz zur Straße gehört an die Grundstücksgrenze, das Gemüsebeet in die sonnige Südwestecke. Wer Zonen logisch anordnet, erhöht den Nutzungskomfort.

2. Spannung durch Blickführung

Ein Garten muss nicht komplett einsehbar sein. Besser ist es, mit Versteckspiel und Blickachsen zu arbeiten: Ein kleiner Weg, der hinter einer Biegung verschwindet, oder eine Bank, die man erst entdeckt, wenn man näher kommt, macht den Garten spannender. „Ein Garten sollte zum Erkunden einladen“, so Planerin Rainer. Dazu helfen sanfte Kurven, gestaffelte Höhen und kleine Durchgänge.

3. Offenheit vs. Rückzug

Gelungene Gärten bieten beides: einladende Offenheit und intime Rückzugsorte. Während der vordere Bereich mit Rasen und großzügiger Terrasse öffentlich wirkt, darf im hinteren Teil des Gartens ein Rückzugsplatz mit Liegestuhl, plätscherndem Brunnen und Sichtschutz entstehen.

In fünf Schritten zur eigenen Gartenraum-Struktur

  1. Bedarfsanalyse: Welche Funktionen soll der Garten erfüllen – Spiel, Ruhe, Anbau, Gesellschaft?
  2. Bestandsaufnahme: Wo liegen Sonne, Schatten, Sichtachsen, Nachbarschaftsgrenzen?
  3. Zonierung: Skizzen anfertigen, Raumnutzung planen, Übergänge markieren
  4. Raumbildende Elemente wählen: Pflanzen, Sichtschutz, Höhen, Möbel, Materialien
  5. Umsetzung und Anpassung: Gestaltung realisieren – flexibel bleiben, nachjustieren

Checkliste: 7 Tipps für gelungene Raumbildung im Garten

  • 🔳 Räume denken wie Zimmer: Was passiert dort, wie soll es sich anfühlen?
  • 🌳 Pflanzen als natürliche Raumteiler nutzen – z. B. hochwachsende Gräser oder Solitärbäume
  • 🧱 Vertikale Strukturen (z. B. Mauern, Pergolen, Hecken) gezielt einsetzen
  • 🪵 Unterschiedliche Bodenmaterialien (Kies, Holz, Stein) zum Strukturieren verwenden
  • 🏞️ Blickachsen und Wegführungen planen – Neugier schaffen
  • 🪑 Sitzplätze geschützt und in der Nähe von Duft- oder Sichtpflanzen platzieren
  • 🧩 Nicht überfrachten – Zwischenräume und Offenheit einplanen

Beispielhafte Gartensituation: Vom offenen Rasen zur intimen Ruheoase

Ein typischer Garten mit 400 Quadratmetern wurde von Familie Körner aus Braunschweig komplett umgestaltet. Aus einer offenen Rasenfläche entstand ein strukturierter Garten mit drei Zonen:

  • Vorne: eine mit Naturstein umrahmte Terrasse mit Esstisch unter einem Sonnensegel
  • Mitte: Rasenfläche mit lockerem Baumdach aus Amberbaum und einem Spielbereich für die Kinder
  • Hinten: ein abgegrenzter Rückzugsort mit Holzdeck, Liegestuhl, blühenden Stauden und Wasserspiel – abgeschirmt durch ein Rankgerüst mit Clematis

„Erst durch die Raumaufteilung wirkt unser Garten wie ein richtiges Zuhause im Grünen“, sagt Frau Körner. Die Umsetzung erfolgte in Etappen – zuerst mit Pflanzen, dann mit Strukturen wie Hochbeeten und Sichtschutz.

Räume geben dem Garten Seele

Raumbildung im Garten ist mehr als Gestaltung – es ist eine Einladung an die Sinne. Wer seinen Garten in Zonen unterteilt, sorgt für Funktionalität und Atmosphäre zugleich. Dabei geht es nicht um strenge Abgrenzung, sondern um eine natürliche Gliederung, die Offenheit und Rückzug harmonisch verbindet. Ob mit Pflanzen, Höhen, Sichtachsen oder Materialien: Wer den Garten wie ein Haus denkt, wird erleben, wie aus Freifläche ein Lebensraum entsteht.

Oder wie es Gartenarchitektin Meuer sagt: „Ein Garten ist dann gelungen, wenn man sich darin aufhalten möchte – stundenlang.“

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