
Wohnungsmarkt unter Druck
Der Wohnungsmarkt in Deutschland steht unter gewaltigem Druck. Während der Traum vom Eigenheim für viele in weite Ferne rückt, steigen die Mieten in zahlreichen Städten weiter an. Gleichzeitig herrscht ein eklatanter Mangel an Wohnraum – besonders im bezahlbaren Segment. Die Ursachen sind vielschichtig: gestiegene Baukosten, höhere Zinsen, überbordende Bürokratie und fehlende Anreize für Investoren lähmen den Wohnungsbau.
Inmitten dieser angespannten Lage schlägt die Bundesregierung neue Töne an. Mit ambitionierten Plänen will Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) nicht nur den Bau ankurbeln, sondern auch den Mieter:innen stärkeren Schutz bieten. Doch wie gut lassen sich diese beiden Ziele miteinander vereinbaren? Und was bedeutet das für künftige Hausbesitzer:innen, Bauwillige und Mieter:innen?
Hauskauf: Ein Traum in weiter Ferne?
Für viele Menschen ist der Hauskauf ein Lebenstraum – doch für die Mehrheit bleibt er unerreichbar. Besonders junge Familien und Personen mit mittlerem Einkommen stoßen beim Versuch, Eigentum zu erwerben, auf immer höhere Hürden.
„Für meine Generation ist es heute schwer, ein Haus zu kaufen. Und das selbst bei Akademikergehältern“, sagte Verena Hubertz in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Ihre Aussage bringt auf den Punkt, was viele erleben: Die finanzielle Belastung durch gestiegene Immobilienpreise, hohe Bauzinsen und strenge Kreditvergaberichtlinien macht den Einstieg in den Wohneigentumsmarkt für viele unmöglich.
Dabei wäre Wohneigentum nicht nur eine Form der Altersvorsorge, sondern auch ein Beitrag zur Entlastung des Mietmarkts. Deshalb will die Bundesregierung gegensteuern. Geplant ist unter anderem ein einheitliches Neubauförderprogramm, das gezielt Familien mit geringem bis mittlerem Einkommen unterstützt. Zudem sollen energetische Standards und Bauvorschriften kritisch hinterfragt werden, um die Baukosten zu senken. Auch das Baukindergeld ist wieder im Gespräch – allerdings mit angepassten Bedingungen.
Wohnungsbau beschleunigen: Bürokratieabbau und neue Förderungen
Ein weiteres zentrales Problem des deutschen Wohnungsmarkts ist der schleppende Neubau. Die Verfahren für Bebauungspläne dauern oft mehrere Jahre. Dies schreckt Investoren ab und verlangsamt die Schaffung dringend benötigter Wohnungen.
Hubertz will diesen Missstand beheben – mit Nachdruck. „Es muss und darf auch mal knallen, denn die Interessenkonflikte sind da“, sagte sie im RND-Interview. Gemeint ist: Ohne mutige Entscheidungen und eine klare politische Linie lassen sich die Versäumnisse der letzten Jahre nicht aufholen.
Ein zentraler Hebel soll der neue Paragraf 246e im Baugesetzbuch sein. Dieser ermöglicht es Kommunen, in bestimmten Fällen Bebauungspläne stark zu beschleunigen – mit einer Zielvorgabe von nur zwei Monaten. Besonders dort, wo bereits Siedlungsstrukturen existieren, sollen künftig Nachverdichtung und Aufstockung Vorrang vor Neubauten auf der grünen Wiese haben. Damit will man nicht nur schneller, sondern auch nachhaltiger bauen.
Flankiert werden diese Maßnahmen von steuerlichen Anreizen für Investoren, einer Reform der Grunderwerbsteuer und einer vereinfachten Genehmigungspraxis für serielle und modulare Bauformen. Auch die Digitalisierung der Bauämter steht ganz oben auf der Agenda.
Mietpreisbremse: Verlängerung und Kritik
Während die Bundesregierung den Wohnungsbau ankurbeln will, soll gleichzeitig der Mieterschutz gestärkt werden – ein Spagat, der nicht ohne Widerspruch bleibt. Besonders im Fokus steht dabei die Mietpreisbremse.
Diese wurde ursprünglich 2015 eingeführt, um in angespannten Wohnungsmärkten Mieterhöhungen bei Wiedervermietungen zu begrenzen. Doch ihre Wirkung ist umstritten – zum einen, weil viele Vermieter:innen Schlupflöcher nutzen, zum anderen, weil die Regelung oft nicht konsequent durchgesetzt wird.
Dennoch hat das Bundeskabinett nun beschlossen, die Mietpreisbremse bis 2029 zu verlängern und sie inhaltlich auszudehnen. Neu ist: Auch Neubauten, die zwischen dem 1. Oktober 2014 und dem 1. Oktober 2019 erstmals genutzt wurden, sollen künftig unter die Regelung fallen. Zudem wird die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen in angespannten Wohnungsmärkten von 15 auf 11 Prozent innerhalb von drei Jahren gesenkt.
Kritik kommt vor allem aus der Immobilienwirtschaft. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) warnt: „Die Verlängerung und Ausweitung der Mietpreisbremse beschleunigen den Niedergang des Wohnungsbaus.“ Viele Investor:innen würden sich zurückziehen, wenn Mietrenditen durch staatliche Eingriffe weiter sinken. Die Folge: weniger Neubauten, noch mehr Knappheit.
Auswirkungen auf Investitionen und Wohnungsangebot
Tatsächlich zeigen die Zahlen eine bedenkliche Entwicklung: Die Anzahl der Baugenehmigungen ist seit 2022 drastisch gesunken. Im Jahr 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 30 Prozent weniger Wohnungen genehmigt als im Jahr zuvor. Bauwillige Unternehmen klagen über wirtschaftlich nicht tragbare Rahmenbedingungen und eine ausufernde Regulierung.
Auch die energetischen Anforderungen, etwa durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG), gelten als kostentreibend. Hinzu kommt die unsichere Förderlandschaft: Bauherren wissen oft nicht, ob und in welchem Umfang Fördermittel für Projekte zur Verfügung stehen. Diese Unsicherheit wirkt sich besonders im Segment des bezahlbaren Wohnraums negativ aus.
Viele Expert:innen fordern deshalb eine bessere Planbarkeit und attraktive steuerliche Rahmenbedingungen. Dazu zählen etwa eine Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Neubauten, die Förderung von Baugenossenschaften sowie die Reduktion der Grunderwerbsteuer für Erstkäufer:innen.
Mieterschutz vs. Wohnungsbau: Ein Balanceakt
Die Diskussion um Mieterschutz und Wohnungsbau ist letztlich ein Balanceakt zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Vernunft. Während Mieterverbände eine stärkere Regulierung fordern, um Wuchermieten zu verhindern, sehen Investoren ihre Geschäftsmodelle in Gefahr.
Ein häufig genannter Kritikpunkt ist, dass die Mietpreisbremse in der Praxis oft nicht wirkt. Viele Mieter:innen wissen gar nicht, dass sie zu viel zahlen – oder sie scheuen den Rechtsweg. Laut Studien wurde die Mietpreisbremse bislang nur selten erfolgreich eingeklagt. Die Dunkelziffer überhöhter Mieten dürfte erheblich sein.
Andererseits warnen Ökonom:innen davor, dass ein zu starker Mieterschutz langfristig den Neubau stranguliert. Denn ohne ausreichende Renditen wird kaum jemand in neue Wohnungen investieren – gerade in Zeiten hoher Bau- und Finanzierungskosten.
Die Lösung liegt wohl in einer ausgewogenen Mischung: gezielte Förderung für sozialen Wohnungsbau, bessere Informations- und Rechtsberatungsangebote für Mieter:innen sowie intelligente Anreize für private Investoren, auch unter sozialen Kriterien zu bauen.
Fazit und Ausblick
Die Wohnungsfrage ist eine der drängendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Sie betrifft breite Teile der Bevölkerung – vom jungen Paar auf Wohnungssuche bis hin zur Rentnerin mit steigender Miete. Klar ist: Ohne einen Kurswechsel wird sich die Lage weiter zuspitzen.
Die Bundesregierung hat erste wichtige Schritte eingeleitet – vom Bürokratieabbau über neue Förderprogramme bis hin zur Verlängerung der Mietpreisbremse. Doch die Umsetzung wird zeigen, ob diese Maßnahmen ausreichen. Es braucht Mut, klare Prioritäten und einen Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Wohnraum ist ein Grundrecht. Damit dieses auch in Zukunft für alle erreichbar bleibt, müssen kurzfristige Hilfen und langfristige Strategien Hand in Hand gehen. Der Erfolg wird daran zu messen sein, ob es gelingt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – nicht nur auf dem Papier, sondern für reale Menschen in realen Städten.